Bärwurz

Welcher ist der echte Bärwurz?

Bärwurzpflanze
Bärwurzpflanze
Unter den Bärwurzereien im Bayerwald und darüber hinaus gibt es eine unterschiedliche Auffassung darüber, welche Pflanze die eigentliche Bärwurz darstellt und somit im gleichnamigen Schnaps Verwendung findet.

Offiziell kommen 2 Pflanzen für die Bärwurzherstellung in Frage. Meum athamanticum (Bärwurz) und Ligusticum mutellina (Alpen-Mutterwurz) werden im hiesigen Sprachgebrauch oft verwechselt, bis hin zur Schaffung eines "Bayerischen Bärwurz" hinter dem oftmals Ligusticum mutellina steckt.

Ligusticum spielt bei den Bärwurzereien im Bayerischen Wald eine untergeordnete Rolle, nach meiner Einschätzung wird zur Herstellung des Bärwurzschnapses überwiegend Bärwurz (Meum athamanticum) verwendet.

 

Botanisches
Anbau
Historisches
Hochprozentiges
Medizinisches

Bärwurz (Meum athamanticum)

Bärwurz Blatt
Bärwurz Blatt
Die Bärwurz ist eine ausdauernde, jedes Jahr neu austreibende Pflanze in der Familie der Doldenblütler (Umbelliferae). Pflanzen dieser Familie eignen sich wegen ihrer hohen Gehalte an ätherischen Ölen häufig als Heil- oder Gewürzpflanzen. Auch die Bärwurz weist in der Analytik Gehalte an ätherischen Ölen von 0,4 – 0,6% auf. Kraut, Wurzel und Samen riechen angenehm aromatisch, bei leichtem reiben in der Hand werden die ätherischen Öle frei, und die Pflanze entfaltet so ihr stark würziges, teilweise scharfes Aroma.

Beginnend vom Stängel verästelt sich das Blatt immer mehr (ähnlich dem Dill) wirkt sehr fein zerschnitten, so dass die letzten Blättchen fast haarförmig wirken. Der Blütenstiel wird erfahrungsgemäß 50-70cm hoch, die darauf befindliche Dolde blüht weiß bis leicht violett und bringt Samen hervor die optisch sehr stark an Kümmel erinnern. Am Übergang von der Wurzel zum Blattwerk befindet sich der charakteristische Bartschopf (Wurzelschopf). Dieser Faserschopf entsteht durch das jährliche Austreiben und Absterben der Blattstängel, die über Winter nicht vollständig verrotten und am Wurzelansatz noch fasrig zurückbleiben. Der Bartschopf wird mit zunehmendem Alter der Pflanze immer größer, was von den Brennereien als Qualitätsmerkmal betrachtet wird.

Bärwurz Wurzel
Bärwurz Wurzel
Selbst eine Wurzel im stattlichen Alter von mehreren Jahren wird kaum dicker als ein Daumen, üblicherweise nur Fingerdick. Die Pflanze hat sich eher auf unwirtliche Höhenlagen spezialisiert und wurzelt deshalb relativ tief um sich so mit Wasser und Nährstoffen versorgen zu können. In einem älteren botanischen Lexikon wird die Wurzel als "auswendig eisenrostig, inwendig weißlich, harzig, von starkem Geruche, und scharfem, etwas bitterem Geschmacke" beschrieben.

Bärwurz steht unter Naturschutz

Bärwurz Garten
Bärwurz Garten
Bärwurz findet sich in der freien Natur wenn überhaupt noch, dann auf mageren Bergwiesen im Bayerischen Wald oder im Erzgebirge vor. Meum athamanticum zählt zu den gefährdeten Pflanzenarten und steht deshalb unter Naturschutz.Bis in die 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts wurde die Bärwurzel im Bayerischen Wald und im angrenzenden Böhmerwald sowie im Erzgebirge von spezialisierten Sammlern mit dem Spaten in der freien Natur geerntet. Die Arbeit war beschwerlich, die Ausbeute gering und die Bärwurz ging in ihrem Bestand zurück.

Als Lösung bot sich an mit der Bärwurz erste Anbauversuche zu starten, um den Bärwurzereien im Bayerischen Wald gleichbleibend hohe Qualität in der gewünschten Menge anbieten zu können.

Zwar entspricht der Anbau von Bärwurz nicht dem Klischee vom „Wurzelsepp“ der mit Rucksack und Schaufel bewaffnet die Berge des Bayerischen Waldes erklimmt und mühevoll Wurzeln ausgräbt, trotzdem ist die Kultur von Bärwurzel der bessere Weg.
  • Der Anbau unterliegt sehr hohen Qualitätsstandards
  • Rückstandskontrolle in der Wurzeldroge
  • Praktizierter Naturschutz durch Schonung der natürlichen Flora
  • bekannte, nachvollziehbare Herkunft
Heil- und Gewürzpflanzen wie beispielsweise Baldrian, Sonnenhut, Angelika, Kamille, um nur ein Paar zu nennen, werden ausschließlich von spezialisierten Landwirten angebaut. Somit wird sichergestellt, dass das wertvolle Pflanzenmaterial in gleichbleibend hoher Qualität und Menge für die Herstellung von Naturheilmitteln zur Verfügung steht. Anbauware aus heimischer Produktion wird – was die wenigsten wissen oder vermuten – intensiv auf Herz und Nieren geprüft.
Bärwurz - Wurzel und Samen
Bärwurz – Wurzel und Samen


Meine Bärwurzel muß beispielsweise folgende Qualitätsparameter einhhalten:
  • absolute Frische bei Nassware
  • Trockenheit (Restfeuchte unter 8%) bei Trockenware
  • keine Pestizidrückstände (Nulltoleranz!)
  • keine Schwermetallrückstände (Nulltoleranz!)
  • Fremdbestandteile (max. 2 % nach Arzneibuch)
  • Geruch, Aroma, Konsistenz etc.
Bärwurzel aus Wildsammlung (Ausnahmegenehmigung notwendig!) unterliegt nur einer sehr eingeschränkten Qualitätskontrolle. Rückstandsuntersuchungen lohnen kaum aufgrund der hohen Kosten und der verhältnismäßig geringen Mengen.

Bärwurz nimmt sich Zeit…

Bärwurz - Keimblattstadium
Bärwurz – Keimblattstadium
Die Pflanze zählt zu den sogenannten Frostkeimern und wächst ungewöhlich langsam. Nachdem im Spätsommer der Samen von der Mutterpflanze geerntet wird, kann wenige Wochen später die Aussat erfolgen. Weil es sich wie gesagt um einen Frostkeimer handelt, keimt die Bärwurzel erst im folgenden Frühjahr. Ende März – Anfang April zeigt sich die Keimwurzel, bald darauf kommen die beiden Keimblätter hervor. Zum Ende der ersten Vegetationsperiode (mittlerweile ist ein Jahr seit der Aussat vergangen) hat die Bärwurz 2-3 Laubblätter und eine Wurzel mit 2-3 mm Durchmesser und 5-8 cm Länge. Mehr nicht…Als ausdauernde Pflanze geht Meum nun in die Winterruhe und legt anschließend im dritten – fünften Standjahr an Größe zu.

Was viele so nicht vermuten oder wissen: Die Bärwurzpflanze wird erst nach 5 Jahren geerntet, je älter, desto besser versichern alte Bärwurz-Brenner. Die Wurzel ist dann etwa daumendick mit einigen Seitenwurzeln und zwischen 25-35 cm lang. Die Ernte ist immer noch sehr aufwenig, da vorsichtig in die Tiefe gegraben werden muss um die Verluste zu vermindern und die Pflanze nicht zu verletzen.

Bärwurz in der Geschichte

Seit alters her war die Menschheit bemüht, Krankheiten und Leiden mit allen möglichen Mitteln zu lindern. Über Jahrhunderte angesammeltes Erfahrungswissen im Bereich der Naturheilkunde wurde jeweils an die nachfolgenden Generationen weitergegeben, die wiederum das Erworbene mit den Erkentnissen ihrer Zeit ergänzte und so ein Wissen um die Heilkräfte der Natur entstand, das bis in unsere Zeit reicht.

Zugegebenermaßen sind die ersten heilkundlichen Erfahrungen der Geschichte aus heutiger Sicht nicht immer nachvollziehbar. Wenn aber die ein oder andere Pflanze in der Historie über verschiedene Epochen hinweg immer wieder genannt wird, so liegt der Verdacht nahe, dass die Pflanze ein besonderes Kraut ist.

Bärwurz im Theriak

Theriak war ein im Altertum weit verbreitetes „Wundermittel gegen Gifte aller Art“. Neben einer Vielzahl von Kräutern wie Ingwer, Angelika, Baldrian oder Johanniskraut findet sich auch „Wurzel von Berwurz“ im Mittelalterlichen Zaubertrank. Samuel Hahnemann, begründer der Homöopathie beschreibt den Theriak so:
„Als Haupttugend desselben gab man an, dass dies Mittel ein sehr kräftiges Verwahrungsmittel vor allen Arten von Giften sei; ein jeder, welcher eine gehörige Menge des Morgens einnahm, war den ganzen Tag über vor Vergiftung sicher“.
Besonderes Interesse galt wohl dem im Theriak befindlichen „durchgeseiheten Mohnsaft“, der nach heutiger Einschätzung nicht nur damals die Sinneswahrnehmung erweiterte… Die altertümliche Rezeptur verlor ihre Bedeutung im ausgehenden Mittelalter.
„Kostbarer und nützlicher als das reinste Gold“
ist nach Hildegard von Bingen (1098-1179) der von ihr begründete Birnenhonig gegen Migräne. Die Mystikerin des Mittelalters mischte Birnen und Honig und gab neben drei anderen Kräutern als Hauptbestandteil Bärwurzpulver hinzu.
„Dies Mittel vernichtet alle üblen Säfte im Menschen und reinigt den Menschen so, wie ein Geschirr vom Schmutz gereinigt wird“ (Physica)
Hildegard-Medizin spielt in der jüngeren Vergangenheit wieder eine zunehmende Rolle. Gewürzmischungen für Bärwurzbirnhonig sind leicht im Handel zu finden, spezialisierte Apotheken bieten das fertige Naturheilmittel zum Verkauf an.

Bärwurz im Karlsgarten

Im 9. Jahrhundert, nach mehreren Hungersnöten im Reich, erlies Karl der Große das „Capitulare de Villis“ eine Verordnung über die Krongüter und Reichshöfe, um dem Leiden der Bevölkerung Abhilfe zu verschaffen.
„Unsere Freileute sollen wohlversorgt und von niemand in Schuldknechtschaft gebracht werden“,
wird Karl der Große zitiert. Um eben das zu erreichen, hat er mit 70 Kapitularien ein Regelwerk aufgestellt, das insbesondere die Ertragskraft der Landwirtschschaft steigern sollte. Die Bewirtschaftungsordnung galt für die übers Reich verstreuten königlichen Güter und diente somit auch dem Wissenstransfer in die ländliche Bevölkerung.

Kapitel 70 beginnt
„Wir befehlen: In den Gärten soll man alle nachgenannten Pflanzen ziehen: Lilien, Rosen, … Bärenwurz,…“
Welche Rolle die im Karlsgarten vorgeschriebenen Pflanzen damals spielten ist heute unklar, jedoch ist unzweifelhaft, das der Bärwurz durch ihren verpflichtenden Anbau im Garten Karl des Großen damals große Bedeutung beigemessen wurde.

Bärwurz im Bayerischen Wald

Erste Verbreitung scheint die Bärwurzel um 1800 in den Hausapotheken der Waldler gefunden zu haben. Es bleibt ein Geheimnis, warum sich in den Bergregionen Spirituosen mit eher herben Geschmacksnoten durchgesetzt haben.
  • Bärwurz im Bayerwald, Erzgebirge, Harz
  • Enzianschnaps im Alpenland
  • Meisterwurzschnaps im Österreichischen
  • Topi (Topinambourschnaps) im Schwarzwald
Gerd Eckert, Brennereibesitzer in Deggendorf, reklamiert für sich die älteste Bärwurzerei zu betreiben. Seine Vorfahren haben 1915 begonnen Bärwurzschnaps herzustellen und die Bayerwald-Medizin an Kunden verkauft. Als ausgesprochen wirkungsvolles Digestiv hat der Wurzelschnaps seinen Siegeszug angetreten und erfreut auch neugierige Gaumen aus dem Norden der Republik.
Bärwurzschnaps
Bärwurzschnaps

Bärwurzschnaps ist nicht gleich Bärwurzschnaps

Der feine Gaumen des Bärwurzkenners hat seine Freude daran die Vielfalt der unterschiedlichen Bärwurzschnäpse zu entdecken. Angefangen von zwei sehr eng verwandten Pflanzen die im Bärwurzschnaps Verwendung finden, gibt es unter den Bärwurzereien so viele verschiedene Herstellungsweisen wie Brennereien selbst…

Mazeration + Destillation

Aus meiner Sicht die klassische Methode um Bärwurzschnaps herzustellen. Der Brenner legt dabei gut gereinigte, frische Wurzeln (häufig Meum athamanticum, selten Ligusticum) in hochprozentigen Alkohol ein und lässt diesen Ansatz je nach Erfahrung und persönlicher Einschätzung 4-8 Wochen ziehen. Dieser Prozess (Mazeration) entzieht der Wurzel auf schonende Art die Wirksubstanzen, ätherischen Öle sowie Farb- und Geschmacksstoffe. Die Wurzel/Alkoholmischung wird nun filtriert und destilliert, wobei die Destillation hier als Reinigungsprozess zu verstehen ist. Genau genommen werden durch die Destillation lediglich die Farb- und Schwebstoffe vom gewünschten klaren Destillat getrennt. Um den Bärwurzschnaps genießbar zu machen wird noch Wasser zugesetzt, bis das Getränk Alkoholgehalte von 38% bis 45% aufweist.

Übrigens: Beschriebenes Herstellungsverfahren wird praktisch identisch auch bei der Herstellung von Melissengeist etc. angewendet.

Mazeration

Wie schon bei obigem Verfahren beschrieben werden auch hier die Wurzeln (häufig Ligusticum mutellina, selten Meum athamanticum) für den Kaltauszug (=Mazeration) in hochprozentigen Alkokol für einige Wochen eingelegt. Nachher wird allerdings nicht mehr destilliert sondern nur noch fein filtriert und anschließend wiederum mit Wasser auf Trinkstärke herabgesetzt.

Als Ergebnis erhält „der Bärwurzer“ ein leicht bräunlich gelbes Schnapserl das in Punkto Geschmack kaum Unterschiede zum Destillat erkennen lässt.

„Wurzel in Flasche“ – Methode

Diese Variante wird gern auch von Hobby-Bärwurzern angewendet, ist aber in ihrer Umsetzung weit diffiziler als man das auf Anhieb vermuten möchte. Nun wie der Name schon sagt, wird hier eine Bärwurzel (häufig Meum athamanticum, selten Ligusticum mutellina) in eine Flasche eingelegt. Als Ausgangsbasis eignet sich eine Flasche Kornbrand oder Wodka mit jeweils möglichst wenig Eigengeschmack, da sonst unser gewünschter Bärwurzschnaps nicht wirklich nach Bärwurz schmeckt. Wie schon bei den anderen Methoden greift auch hier das Prinzip der Mazeration, wodurch unser „Korn“ authentischen Bärwurzgeschmack annimmt. Die Probleme liegen häufig in der Dosierung der Wurzelmenge die in die Flasche gegeben wird und auch der Dauer mit der die Wurzel im Korn liegt und somit Inhaltsstoffe freigibt.

Kurzum: Meist wird zu viel Wurzel zu lange eingelegt, was als Ergebnis selbst den härtesten Bayerwaldler umhaut. Prost!
Bärwurz Wurzel
Bärwurz Wurzel


Man nehme nicht die Wurzel sondern den Samen

Vom Herstellungsprinzip sehe ich keinen Unterschied zur Methode Mazeration + Destillation, allerdings wird anstatt der Wurz Bärwurzsaatgut (Meum athamanticum) verwendet. Das Saatgut von Bärwurz ist sehr aromatisch und enthält ätherische Öle, so dass auch bei dieser Variante ein vorzügliches Ergebnis zu erwarten ist. Dieser Bärwurzgeist kommt etwas feiner daher und ist deshalb den sensibleren Gaumen zu empfehlen.

Bärwurz in der Hildegard Medizin

Hildegard von Bingen nennt diesen „Bärwurz-Birnen-Honig“ wertvoller als Gold, weil es den Darm von seinem „Schimmel“, Darmpilzen, Krankheitserregern und Giftstoffen befreit und davon ausgelöste Kopfschmerzen (Migräne) verhütet. Dieses „Hildegard-Gold“ hat sich für die Darmsanierung und zur Regeneration der natürlichen Darmflora bis heute bewährt.   Hier das Rezept nach Hildegard von Bingen:
Hildegard von Bingen
Hildegard von Bingen
„Nimm Birnen (8 Stück), schneide sie auseinander und wirf das Kerngehäuse weg. Dann koche sie stark in Wasser und zerstampfe sie zu Brei. Dann nimm Bärwurz, etwas weniger Galgant und Süßholz noch weniger als Galgant und Pfefferkraut noch weniger als Süßholz. Das mache zu Pulver, vermische diese Pulverarten und schütte sie in mäßig erhitzten Honig (8 Esslöffel). Dann gib die warmen Birnen dazu und rühre es kräftig zusammen (kochend). Dann fülle es in einen Becher ab. Davon iss täglich morgens nüchtern einen Teelöffel voll, nach dem Mittagessen zwei Löffel voll und zur Nacht drei Löffel voll“.
Offen gesagt, eine kulinarische Spezialität ist dieser Birnenhonig nicht… , aber es werden der Birnhonig-Kur gute Wirkungen bei Migräne, zur Darmsanierung und Steigerung der Abwehrkräfte zugesprochen. Ich möchte an dieser Stelle allerdings klarstellen, das ich kein „Heilkundiger“ bin und die getroffenen Aussagen lediglich der Literatur entnommen habe. Bei Fragen zur Wirksamkeit/Anwendung des Birnenhonigs wenden Sie sich bitte an einen Arzt oder Apotheker.